Montes Azules: Zapatistas bedroht!
von: Der Loewe und der Maulwurf - 5.Oktober 2003
Wie schon im April dieses Jahres werden die zapatistischen
Gemeinden Nuevo San Isidro und Nuevo San Rafael wieder durch sechs
PRIistische und drei lakandonische Gemeinden mit Vertreibung aus dem
Biosphärenreservat Montes Azules (Chiapas) bedroht. Campamentistas (MenschenrechtsbeobachterInnen)
berichteten, dass zur Zeit die Gemeinden Nuevo San Isidro und Nuevo San
Rafael von Vertreibung bedroht sind. Diese beiden zapatistischen Gemeinden
befinden sich im Biosphärenreservat Montes Azules, welches aufgrund der
enormen Biodiversität von großem Interesse für die Regierung und
transnationale Konzerne, wie z.B. die Pharmakonzerne Monsanto (USA) und
Novartis (Schweiz), ist. Im Rahmen des neoliberalen Megaprojektes Plan-Puebla-Panamá
(PPP), bei dem es sich um verschiedene wirtschaftliche Projekte handelt,
welche sich von dem mexikanischen Bundesstaat Puebla bis zum
mittelamerikanischen Staat Panamá erstrecken sollen, ist insbesondere die
rohstoffreiche Region Montes Azules im Südosten von Chiapas von Ausbeutung
und Biopiraterie bedroht. Angesichts dieser Bestrebungen sind den Pharmakonzernen
und der Regierung Fox natürlich die zapatistischen Gemeinden ein Dorn im Auge,
da sie nicht nur dieses Land für sich beanspruchen, um überleben zu können,
sondern sich auch aktiv gegen die Zerstörung des Urwaldes und generell gegen
solche neoliberalen Projekte wehren. Dieses schaffen die Zapatistas vor allem
durch ihren Kampf für Autonomie und freie Selbstbestimmung, welchen sie
zuletzt bei der Fiesta und der Geburt der Caracoles am 8.-10. August dieses
Jahres in Oventik eindrucksvoll bewiesen und vorangetrieben haben.
Geschichte der Gemeinde Nuevo San Isidro
Die momentan in San Isidro lebenden fünf Familien stammen ursprünglich
aus der zapatistischen Gemeinde Chavajeval in der Region Altos in Chiapas.
Dort geschah am 10. Juni des Jahres 1998 ein Massaker durch die Bundesarmee,
die von morgens bis nachmittags die Gemeinde bombardierte. Diesem Angriff fielen
zwei Zapatistas und ein PRIista (Anhänger der ehemaligen Regierungspartei)
zum Opfer. Sie blieben dort weiterhin wohnen, verließen die Gemeinde jedoch
am 8. Februar 2001, da kein Ackerland für sie mehr zur Verfügung stand und
sie Hunger litten. In der Region Montes Azules gründeten sie daraufhin die Gemeinde
8 de Febrero, in der sie zwei Jahre lang lebten und arbeiteten. Da der Boden
in diesem Teil des Biosphärenreservates aber nicht sehr fruchtbar war und die
Maisernten die Familien nicht ausreichend ernähren konnten, suchten sie nach
einem neuen Siedlungsort. Diesen fanden sie nahe der guatemaltekischen Grenze
direkt am Fluß Lacantún gelegen. Am 16. März 2003 gründeten sie dort Nuevo
San Isidro. Im darauffolgenden April erfolgte der erste Vertreibungsversuch.
Am 12. April kamen ca. 40 Lakandonen (1972 wurde den sogenannten Lakandonen
von der mexikanischen Regierung ein großes Gebiet in diesem Reservat überlassen.
Dies geschah aber nur mit dem Ziel, die Lakandonen der Regierungspolitik
gefügig zu machen und um so die dortige Biodiversität langfristig ausbeuten
zu können.) mit Macheten und Pistolen bewaffnet an das Ufer nahe der Gemeinde.
Sie forderten die BewohnerInnen dazu auf, innerhalb einer Woche die Gemeinde
zu verlassen. Es waren aber auch zwei Beamte des Ministeriums für Umwelt und
natürliche Ressourcen SEMARNAT (Secretaría del medio ambiente y recursos
naturales) anwesend. Jedoch ließen sich die Zapatistas dadurch nicht
beeindrucken und machten klar, dass sie die Gemeinde nicht lebend verlassen
werden. Unterstützt wurden sie durch verschiedene chiapanekische Menschenrechtsorganisationen
und die breite internationale Solidaritätsbewegung. Durch diese
Öffentlichkeit konnte das Ultimatum nicht umgesetzt und die Vertreibung
vorerst verhindert werden. Dieses obengenannte Ministerium SEMARNAT
unterstützt auch weiterhin die Vertreibungsbestrebungen, in dem sie regelmäßig
(fast jeden zweiten Tag) an der Gemeinde mit Booten vorbeifahren und so den
Druck aufrechterhalten. Einige Male versuchten sie auch mit den BewohnerInnen
zu verhandeln, was aber immer von den Zapatistas abgelehnt und sie auf das
Caracol La Realidad verwiesen wurden. Eine ehemalige zapatistische
Nachbargemeinde, welche sich auf die Versprechungen der Regierung eingelassen
haben, wurde belogen und lebt nun schon seit mehreren Monaten auf der Straße
in Comitán.
Aktuelle Situation
Die Vertreibungsbemühungen erreichten in den letzten Tagen einen weiteren
vorläufigen Höhepunkt. Das Menschenrechtszentrum "Fray Bartolomé de Las
Casas" veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Pressemitteilung (siehe
unten), um die nationale und internationale Zivilgesellschaft darüber zu informieren.
Auf einer Versammlung der PRIistischen und lakandonischen Gemeinden am letzten
Dienstag wurde ein Datum für die Vertreibung festgelegt. Jedoch ist dies
leider noch nicht bekannt. Wir werden aber weiterhin versuchen, Informationen
zu ekommen und euch auf dem Laufenden zu halten. Eins ist aber klar: die
Situation ist äußerst brenzlig und die Zapatistas sind fest entschlossen in
der Gemeinde zu bleiben, wie der folgende O-Ton zeigt: "Hier werden wir
bleiben und wir sind bereit, unser Blut für die Würde zu geben. Wir sind
bereit, unser Blut für unsere Kinder zu geben, die hier aufwachsen, und um
unsere Mutter Erde zu verteidigen."
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Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas, A.C.
San Cristóbal de Las Casas, Chiapas, 25. September
2003
- Pressemitteilung –
Das Menschenrechtszentrum "Fray Bartolomé de Las Casas"
erhielt von den BewohnerInnen der Gemeinde Nuevo San Isidro, die sich in der
Region Montes Azules befindet, die Bekanntmachung über eine Versammlung,
welche von den Autoritäten der Gemeinden 13 de Septiembre, San Andrés, Loma
Bonita, Flor de Café, Cacauatlán und Bella Ilusión abgehalten wurde. Dort diskutierten
sie über die Situation, in der sich das Biosphärenreservat Montes Azules
befindet, und kamen darüber überein, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um die
BewohnerInnen der Gemeinden San Isidro und Nuevo San Rafael, die sich beide
in dem Biosphärenreservat Montes Azules befinden. Es ist wichtig anzuführen,
dass diese Handlungen von den Gemeinden FronteraCorozal, Nueva Palestina und
San Javier unterstützt werden. Es besorgt uns, dass angesichts der Ineffektivität der
Politik der sowohl bundesstaatlichen als auch staatlichen Verantwortlichen
sowie SEMARNAT ("Secretaria del medio ambiente y recursos naturales",
Ministerium der Umwelt und natürlichen Ressourcen) und PROFEPA
("Procuraduría Federal de Protección al ambiente", föderale Behörde
für Umweltschutz), die legitimen Forderungen der dort ansässigen indigenen
Gemeinden zu erfüllen, diese Konfrontation zwischen indigenen Gemeinden
entsteht. Ein weiteres Mal verweigert die mexikanische Regierung die
kollektiven Rechte der indigenen Bevölkerung anzuerkennen, welche durch die
Konvention 169 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation der UNO) anerkannt
sind, die der mexikanische Staat vor mehr als zehn Jahren ratifiziert hat.
Dieses Menschenrechtszentrum hat den Prozess der Belästigung und Bedrohungen,
welchen circa 50 Familien, die in den Gemeinden San Isidro und Nuevo San
Rafael wohnen, ausgesetzt wurden, verfolgt. Genauso weisen wir in diesem Kontext
auf die permanenten Zwangsumsiedlungen hin, welche die Choles (indigener
Sprach- und Kulturzusammenhang) der Gemeinde Lucio Cabañas erlitten haben.
Ihnen gegenüber hatten sich Beamte des selbigen SEMARNAT am Ende des Jahres
2002 verpflichtet, im Austausch für das Verlassen ihres Gebietes ein Grundstück
mit guter Bodenqualität und 20 Hektar pro Familie zur Verfügung zu stellen.
Jedoch sind sich die Familien nach einer mehr als fünf Monate anhaltenden
Serie von aufeinanderfolgenden Täuschungen über das Fehlen politischen
Willens der staatlichen Umweltbeamten, welche sich dem Einhalten des Vereinbarten
verweigern, bewusst.
Das Menschenrechtszentrum ruft die Konfliktparteien dazu auf, einen Dialog zu
führen, um eine angemessene Lösung des Problems zu erzielen.
Auf die gleiche Art und Weise bittet es die Verantwortlichen die Grundsätze
der Konvention 169 der ILO bezüglich der vorherigen Konsultierung und der
Zustimmung der betroffenen Gemeinden, genau so wie die Anerkennung des
Rechtes auf freie Selbstverwaltung und Selbstbestimmung gemäß ihrer eigenen
Werte und Gebräuche einzuhalten und die Stimme der indigenen Bevölkerung von
Chiapas zu achten, wie es in den Vereinbarungen von San Andrés festgehalten
wurde.
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B.A.S.T.A.
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